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Inzidente Vaterschaftsfeststellung Regressprozess des Scheinvaters

Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen zwar auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird. Die Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes setzt jedoch voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat. Nach Ablauf der dafür gemäß § 1600 b BGB geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststel-lung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht.

Nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil in dem Umfang auf einen Dritten über, in dem der Dritte dem Kind als Vater Unterhalt gewährt hat. Die Voraussetzungen dieses Anspruchsübergangs liegen jedoch nicht vor, soweit der Scheinvater den Unterhalt an seinen Sohn nicht als Dritter im Sinne des § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB, sondern als unterhaltspflichtiger Vater geleistet hat.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist der Kläger nach § 1592 Nr. 1 BGB Vater des Kindes, weil dieses während seiner Ehe mit der Mutter geboren wurde. Diese Statuswirkung der ehelichen Geburt kann zwar nach § 1599 Abs. 1 BGB rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt (Ex tunc) aufgehoben werden. Eine solche Statusentscheidung liegt allerdings nicht vor. Der Kläger hat im Statusverfahren seine Vaterschaft nicht wirksam nach § 1599 Abs. 1 BGB angefochten. Denn diese Klage ist vom zuständigen Amtsgericht rechtskräftig abgewiesen worden, weil bei Eingang der Klage die zweijährige Anfechtungsfrist des Klägers nach § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB bereits abgelaufen war. Der Kläger ist somit nach wie vor gemäß § 1592 Nr. 1 BGB Vater seines Kindes mit Wirkung für und gegen alle. Auch aus heutiger Sicht hat er den Kindesunterhalt auf der Grundlage der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach den §§ 1601 ff. BGB und nicht als Dritter im Sinne des § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB erbracht.

Die Wirkungen der Vaterschaft des Klägers sind auch nicht durch eine andere Vaterschaftsfeststellung im Verhältnis der Parteien entfallen.

§ 1600 d BGB, der die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft regelt, besagt in dessen Absatz 4 ausdrücklich, dass Rechtswirkungen der Vaterschaft, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können. Dabei handelt es sich um die statusrechtliche Feststellung im Sinne von § 1600 d BGB, die einem sonstigen für und gegen alle wirkenden Familienstatus nicht widersprechen darf. Grundsätzlich schließt die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, die von Amts wegen zu beachten ist, deswegen auch eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess zwischen dem Scheinvater und dem von ihm vermuteten Erzeuger des Kindes aus. Von diesem Grundsatz hatte der Bundesgerichtshof zunächst nur in besonders gelagerten Fällen Ausnahmen zugelassen, etwa für den Fall des Regresses gegen den Rechtsanwalt, der die Frist zur Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage versäumt hat.

In seiner neueren Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof weitere Ausnahmen von der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB zugelassen, die im Wesentlichen auf gesetzliche Neuregelungen zurückzuführen sind.

Durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und Neuregelung des Rechts der Beistandschaft (BeistandschaftsG) ist die gesetzliche Amtspflegschaft für nichtehelich geborene Kinder abgeschafft und zugleich für bestimmte Aufgaben, zu denen gemäß § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Feststellung der Vaterschaft gehört, eine freiwillige Beistandschaft des Jugendamtes eingeführt worden. Solange der potenzielle Erzeuger des Kindes nicht selbst Vaterschaftsfeststellungsklage erhebt, hängt es bis zur Volljährigkeit des Kindes nun allein vom Willen der Mutter ab, ob sie ihrerseits Vaterschaftsfeststellungsklage erhebt oder nicht. Wenn sie dies unterlässt, kann das Familiengericht ihr nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BGB nicht die Vertretungsmacht für diese Angelegenheit entziehen.

Weil der Scheinvater selbst nach § 1600 e Abs. 1 BGB a.F. (vgl. jetzt § 172 FamFG) für eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft nicht klagebefugt ist, sondern nur die Anfechtungsklage erheben kann (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 169 Abs. 4 FamFG), würde sich der Rückgriffsanspruch des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes bei strikter Anwendung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB in einer Vielzahl von Fällen als undurchsetzbar erweisen. Wenn weder mutmaßlicher Erzeuger noch Kindesmutter noch Kind von ihrem Recht, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, Gebrauch machen, steht kein Vater fest, gegen den der Scheinvater seinen Rückgriffsanspruch richten kann.

Zum anderen hat der Gesetzgeber mit dem zum 1. April 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das der Klärung der Abstammung dient und es gleichwohl zulässt , die sich gegebenenfalls als unzutreffend erweisende statusrechtliche Zuordnung des Kindes unverändert zu lassen. Dabei handelt es sich um ein gerichtsförmiges Verfahren, das Gewissheit über die tatsächliche Abstammung herbeiführen soll, einen dieser Erkenntnis entgegenstehenden Status des Kindes aber unberührt lässt.

Angesichts dieser neuen Rechtslage hat es der Bundesgerichtshof für gerechtfertigt gehalten, in besonders gelagerten Einzelfällen Bedenken gegen eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft zurückzustellen. Denn eine Inzidentfeststellung der Abstammung im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger erwächst nicht in Rechtskraft, als bloße Vorfrage nicht einmal zwischen den Parteien dieses Prozesses.

Allerdings wollte der Gesetzgeber durch die Neuregelung zur Klärung der Vaterschaft nicht unmittelbar in das statusrechtliche Verhältnis eingreifen. Auch die Frist für eine Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 b BGB hat er ausdrücklich fortgelten lassen. Die im Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren ursprünglich vorgesehene Regelung, wonach die Anfechtungsfrist durch eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598 a BGB erneut beginnen sollte, ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bewusst gestrichen worden. Denn Sinn und Zweck der Anfechtungsfrist ist das Interesse des Kindes und der Allgemeinheit an Rechtssicherheit. Wer Kenntnis von Umständen hat, die gegen die Vaterschaft sprechen, soll sich innerhalb der zweijährigen Anfechtungsfrist entscheiden müssen, ob er die Vaterschaft anfechten möchte oder nicht. Bei der Neuregelung des Anspruchs auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598 a BGB hat der Gesetzgeber mithin deutlich darauf hingewiesen, dass der familienrechtliche Status des Kindes von der Klärung der leiblichen Abstammung unberührt bleibt und auch der Lauf der Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB dadurch nicht beeinflusst wird.

Hat der rechtliche Vater seine Vaterschaft – wie hier – nicht im Statusverfahren nach § 1599 BGB angefochten, gilt seine Vaterschaft für und gegen alle, auch gegenüber einem mutmaßlichen Erzeuger, fort. Eine gerichtliche Entscheidung darf dieser Wirkung nicht widersprechen und zwar unabhängig davon, ob über die Vaterschaft unmittelbar oder lediglich als Vorfrage zu entscheiden wäre. Für das Statusverfahren ist dies ausdrücklich in § 1600 d Abs. 1 BGB geregelt, wonach eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft voraussetzt, dass keine andere Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Auch die Vorschriften der §§ 1593 Satz 4, 1600 Abs. 2 BGB stellen sicher, dass durch die Änderung der statusrechtlichen Wirkung keine doppelte Vaterschaft entstehen kann.

Nichts anderes gilt für Fälle, in denen an Stelle einer Vaterschaftsfeststellung nach § 1600 d BGB trotz der grundsätzlichen Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB ausnahmsweise als Vorfrage eine inzidente Vaterschaftsfeststellung geboten wäre. Weil die statusrechtlichen Folgen der Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB für und gegen jedermann wirken, würde auch eine davon abweichende inzidente Vaterschaftsfeststellung auf eine doppelte Vaterschaft hinauslaufen. Die für und gegen alle geltende Wirkung des § 1592 Nr. 1 BGB bliebe unberührt und daneben würde das Gericht seiner weiteren Entscheidung eine zwischen den Parteien geltende abweichende inzidente Vaterschaftsfeststellung zugrunde legen. Auch für eine Vorfrage des Folgeprozesses ist dies mit dem Gesetz nicht vereinbar. Insoweit unterscheidet sich die gesetzliche Wirkung der rechtlichen Vaterschaft nicht von der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen.

Darin liegt zugleich der Unterschied zu den vom Bundesgerichtshof in der Vergangenheit zugelassenen Ausnahmen von der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB. Ist eine rechtliche Vaterschaft gemäß § 1599 BGB wirksam angefochten, kann durch die inzidente Vaterschaftsfeststellung keine doppelte Vaterschaft mehr entstehen. Eine im Einzelfall zulässige Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB setzt deswegen voraus, dass zuvor eine dem widersprechende Vaterschaft wirksam nach § 1599 BGB angefochten worden ist.

Die Zulässigkeit einer inzidenten Vaterschaftsfeststellung ohne vorangegangene Anfechtung einer widersprechenden rechtlichen Vaterschaft lässt sich auch nicht auf der Grundlage des BGH-Beschlusses vom 25. Juni 2008 herleiten. In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof im Rahmen des Versorgungsausgleichs zwischen den geschiedenen Eltern eines ehelich geborenen Kindes darüber zu entscheiden, ob die lange Trennungszeit einem vollständigen Versorgungsausgleich nach § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. (vgl. jetzt § 27 VersAusglG) entgegensteht. Im Rahmen der dabei gebotenen Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten kam es nicht darauf an, neben der statusrechtlichen Vaterschaft inzident eine weitere Vaterschaft festzustellen. Die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung allein zu beantwortende Frage, unter welchen Voraussetzungen die Folgen der statusrechtlichen Vaterschaft bei unstreitig nichtehelicher Abstammung ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben können, lässt sich auf die vorliegende Rechtsfrage nicht übertragen.

Ein Anspruch des Scheinvaters gegen den biologischen Vater ergibt sich auch nicht aus bereicherungsrechtlichen Vorschriften. Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser seine Leistungen an das Kind nicht ohne Rechtsgrund, sondern auf der Grundlage seiner rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 1 BGB erbracht. Diese Vaterschaft besteht wegen Versäumung der Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB fort und begründet den Unterhaltsanspruch des Kindes gemäß den §§ 1601 ff. BGB. Auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen den mutmaßlichen leiblichen Vater kommt somit erst dann in Betracht, wenn der rechtliche Vater seine Vaterschaft nach § 1599 BGB wirksam angefochten hat.

Weil der Scheinvater die Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB versäumt und seine rechtliche Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB nicht wirksam angefochten hat, scheidet ein Rückgriff gegen den biologischen Vater aus. Dem Kläger verbleibt auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allenfalls ein Regressanspruch gegen seine früheren Prozessbevollmächtigte, weil es insoweit auf die Anfechtung der Ehelichkeit nicht ankommt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Januar 2012 – XII ZR 194/09

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